The Halfmoon Files
So, 9.10.2016, 17 Uhr

Screening: Film von Philip Scheffner, 2007, 87 min (OmeU)

im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien

Nach dem Film: Gespräch mit der Wissenschaftlerin Britta Lange, die an The Halfmoon Files sehr eng mitgearbeitet hat. Sie stellt ihr aktuelles CD- und Buchprojekt zu Tonaufnahmen mit Kriegsgefangenen aus dem 1. Weltkrieg vor.
(auf Deutsch)

Inhalt:
Es war einmal ein Mann. Er geriet in den europäischen Krieg. Deutschland nahm diesen Mann gefangen. Er möchte nach Indien zurückkehren. Wenn Gott gnädig ist, wird er bald Frieden machen. Dann wird dieser Mann von hier fortgehen.

Knisternd verklingen die Worte von Mall Singh, gesprochen in einen Phonographentrichter am 11. Dezember 1916 in der Stadt Wünsdorf bei Berlin. Neunzig Jahre später ist Mall Singh eine Nummer auf einer alten Schellackplatte in einem Archiv, eine unter Hunderten von Stimmen von Kolonialsoldaten des Ersten Weltkriegs.

Die Aufnahmen entstanden in einer einmaligen Allianz aus Militär, Wissenschaft und Unterhaltungsindustrie. In seiner experimentellen Spurensuche The Halfmoon Files folgt Regisseur Philip Scheffner diesen Stimmen an den Ort ihrer Aufnahme. Wie in einem Memory-Spiel, das bis zum Ende unvollständig bleibt, deckt er Bilder und Töne auf, in denen die Geister der Vergangenheit zum Leben erwachen. Spiralförmig schrauben sich die Worte seiner Protagonisten ineinander. Diejenigen, die den Aufnahmeknopf drückten an ihren Phonographen, an ihren Foto- und Filmkameras, haben die offizielle Geschichte geschrieben.

Mall Singh und die anderen Kriegsgefangenen aus dem Halbmondlager sind aus dieser Geschichte verschwunden. Ihre Geister scheinen mit dem Filmemacher zu spielen, ihm aufzulauern. Sie folgen ihm auf seinem Weg, die Stimmen in ihre Heimat zurückzubringen. Doch die Handlung der Geschichte entgleitet dem Erzähler. Und die Geister lassen sich nicht vertreiben.

„Wenn ein Mensch stirbt, irrt er umher und wird ein Geist. Es ist die Seele, die umherschweift. Diese Seele ist wie ein Lufthauch. Der Geist ist wie die Luft, die uns umgibt. Er kann überall hingehen.“
Bhawan Singh, Wünsdorf 1917/2007